Drucken

Notfallkontrazeption: Stellungnahme der IENK auf das Mailing der Firma HRA betreffend Abgabe von ellaOne®

Erstellungsdatum:   |   Letzte Aktualisierung:

Die Firma HRA Pharma, die Zulassungsinhaberin des oralen Notfallkontrazeptivums ellaOne® ist, hat am 29. April ein Rundmail verschickt, das bei vielen Apotheken zu Verunsicherung geführt hat. Die IENK und pharmaSuisse nehmen hiermit zum Inhalt dieses Mailings Stellung, das den aktuellen Empfehlungen der IENK und pharmaSuisse widerspricht.

ellaone

Hintergrund: Worum geht es?

Die interdisziplinäre Expertengruppe Notfallkontrazeption IENK hat im Juni 2020 die Empfehlungen zur Abgabe von Levonorgestrel (LNG) und Ulipristalacetat (UPA) gemäss neustem Wissensstand überarbeitet und die zugehörigen Dokumente aktualisiert. Die neuen Empfehlungen sehen vor, dass bei gleichzeitiger Anwendung einer hormonellen Verhütung als 1. Wahl LNG abgegeben werden sollte (Interaktion zwischen UPA und Gestagen). Falls trotzdem UPA bevorzugt wird, sollte eine fünftägige Einnahmepause der hormonellen Verhütung eingelegt werden. Die Firma HRA Pharma unterstützt diese Empfehlung nicht und würde UPA gerne in jeder Situation als erste Wahl sehen.

Die Mitglieder der IENK wurden darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Firma HRA Pharma über die Vertriebsfirma F. Uhlmann-Eyraud SA am 29. April 2021 ein Mailing versendet hat, welches ein «Statement zur Abgabe von ellaOne® bei vergessener Antibabypille» enthielt. HRA Pharma empfiehlt in diesem Statement ein von den Dokumenten der IENK und pharmaSuisse abweichendes Vorgehen.

Widersprüchliche Angaben in den Empfehlungen können zu Verunsicherung führen, weshalb die IENK und pharmaSuisse hier dazu Stellung nehmen möchten.


Stellungnahme auf das Schreiben von HRA Pharma

Die IENK und pharmaSuisse halten klar an ihren bisherigen Empfehlungen fest, die nach gründlicher Analyse der neusten Studien und internationalen Leitlinien erfolgten. In Studien wurde gezeigt (Brache V et al. Hum Reprod. 2015 Dec;30(12):2785-93 / Edelman AB et al. Contraception. 2018 Dec;98(6):463-466.), dass durch die Einnahme von Gestagenen nach UPA der Eisprung nur ungenügend verzögert wird und so ein erhöhtes Schwangerschaftsrisiko vorliegt. In der Schweizer Fachinformation wird die Interaktion ebenfalls beschrieben, jedoch keine konkrete Massnahme vorgeschlagen. Die fünftägige Einnahmepause nach UPA ist in anderen Ländern weit verbreitet und wird ebenfalls von diversen Expertengremien empfohlen (z.B. FSRH, ICEC, SGGG).

Die Firma HRA Pharma erwähnt in ihrem Schreiben vom 29. April 2021 verschiedene Studien und Empfehlungen, die der IENK alle bekannt sind. Die Angaben wurden durch die Firma aber leider lückenhaft wiedergegeben und falsch interpretiert. So wird beim Zitat aus der Schweizer Fachinformation (Swissmedic, Compendium) ein wichtiger Satz, der auf die Interaktion hinweist, weggelassen. Auch die Empfehlungen der in diesem Gebiet besonders renommierten FSRH (Faculty of Sexual & Reproductive Healthcare of the Royal College of Obstetricians & Gynaecologists) wurden falsch wiedergegeben. Dort wird weiterhin LNG als erste Wahl bei Anwenderinnen einer hormonellen Verhütung und eine fünftägige Einnahmepause nach UPA empfohlen. Nur im genauen Setting der Banh-Studie 2020 (Banh C et al. Contraception. 2020 Sep;102(3):145-151) kann laut FSRH auf die fünftägige Pause nach UPA verzichtet werden. Diese Empfehlung ist mit einer Fussnote auf Seite 1 des Dokumentes «Differenziertes Vorgehen bei fehlerhafter Anwendung einer hormonellen Verhütung und Geschlechtsverkehr» ebenfalls in den aktuellen IENK-Empfehlungen zu finden. Da sie sich jedoch nur auf eine sehr spezifische Situation bezieht, wird diese Empfehlung für den Apothekenalltag nicht als relevant betrachtet.

Im Gegensatz zur Herstellerfirma verfolgen weder IENK noch pharmaSuisse kommerzielle Interessen oder weisen einen Interessenskonflikt auf. Das Ziel war und bleibt, die Empfehlungen möglichst klar, praxistauglich und vor allem im Interesse der Kundinnen zu formulieren. Die Mitglieder der IENK und pharmaSuisse möchten daher betonen, dass die bestehenden Empfehlungen weiterhin Gültigkeit haben.

Die Dokumente zur Notfallkontrazeption stehen auf folgenden Webseiten zur Verfügung:

Ihre Kontaktperson

Eva von Wartburg

Eva von Wartburg

Fachapothekerin in Offizinpharmazie FPH

031 978 58 58

Zur Artikel-Übersicht